1. Gemeindegeschichte
In den Jahren 1832-1835 entstand auf dem "Moabiter Berg", im Volksmund "Karnickelberg" genannt, dort, wo die Brückenallee (Kirchstraße) auf den Spandauer Heerweg (Alt-Moabit) traf, nach einem Entwurf des damaligen Oberbaumeisters Karl-Friedrich Schinkel die St. Johanniskirche. St. Johannis erhielt ihren Namen nach Johannes dem Täufer und wurde am Johannistag, dem 24. Juni, 1835 geweiht. Der 24. Juni markiert seither den festlichen Anlass für Andacht und Zusammenkommen in der ersten Kirche Moabits.
St. Johannis übernahm einen Teil der bisher für Moabit zuständigen, fußläufig weit entfernt liegenden Sophiengemeinde. Moabit hatte zu dieser Zeit rund 700 Einwohner. 400 von ihnen fanden in St. Johannis Platz. Im Zuge der Industrialisierung wuchs Moabit aber stetig. Es wurden erste Klagen über die Sittenlosigkeit der hiesigen Bevölkerung laut. König Friedrich Wilhelm IV. wollte Abhilfe schaffen und weniger religiöse Menschen zum Glauben zurückführen. Er plante die kirchliche Seelsorge stärker mit der Kranken- und Armenpflege zu verbinden. St. Johannis wurde bis 1857 zu einer „Missionsstation“ mit Schulhaus ausgebaut und erhielt in diesem Zuge in ihrer Erweiterung ihr heutiges architektonisches Antlitz.
Bis 1860 verneunfachte sich die Zahl der Einwohner Moabits auf 6543. In dieser Zeit entstanden die Borsigwerke, die Porzellanfabrik Schumann, das Gefängnis, die Ulanenkaserne, der Spandauer Schifffahrtskanal und der Humboldt-Hafen. Am 1. Januar 1861 wurde Moabit in die Stadt Berlin eingemeindet und erlebte damit einen weiteren Aufschwung. Es entstanden das Kriminalgericht, das Luisen-Gymnasium, der Lehrter Bahnhof sowie viele neue Straßen. 1864 ging das östlich an den Arkadengang anschließende Schulgebäude aus Kirchenhand an die Stadtgemeinde und wurde zur 31. Gemeindeschule Berlins, die 1907 die angrenzende Turnhalle erhielt. 1867 eröffnete St. Johannis zudem eine Sonntagsschule und führte den regelmäßigen sonntäglichen Abendgottesdienst ein.
Nachdem Berlin 1871 Reichshauptstadt geworden war, stiegen die Bevölkerungszahlen rasant. Bereits 1885 lebten etwa 35.000 Menschen in Moabit, eine Zahl, die sich in den kommenden zwei Dekaden noch versechsfachen sollte. Da die Kirche für die weiter gewachsene Gemeinde erneut zu klein geworden war, musste sie, trotz der 1894 als weitere Predigtstätte vor Ort eingeweihten Heilandskirche, 1895/96 durch Max Spitta um ein Querschiff vergrößert werden.
Um 1930 arbeiteten die inzwischen sechs Kirchengemeinden Moabits und des Hansaviertels eng zusammen, um gemeinsam der kirchlichen Entfremdung entgegenzutreten. Die Nationalsozialisten versuchten, die Einflüsse der evangelischen Kirche zunehmend zu begrenzen. St. Johannis verlor einen großen Teil seiner Gemeinde: aus Überzeugung ebenso wie aus Angst vor Repressalien.
Am 23. November 1943 brannte das Kirchenschiff nach alliierten Luftangriffen völlig aus.

Die Kriegsruine von St. Johannis - Blick aus der Altarapsis in Richtung Kirchstraße
In den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Gottesdienste in einer Wohnung in Alt-Moabit 89 abgehalten. Von 1948-1957 fanden sie in einer ehemaligen Militärbaracke westlich der Ruine von St. Johannis statt. Bis zu 250 Gemeindemitglieder fasste die mit lehnenlosen Holzbänken ausgestattete Notkirche. Der 1950 gegründete Schinkelbauverein sammelte aber bereits Mittel, um die denkmalgeschützte St. Johanniskirche wieder aufzubauen. Neben Geldspenden für den Wiederaufbau waren auch zweckgebundene Bausteinspenden erwünscht. In den Jahren 1950-57 konnte die Kirche wieder aufgebaut werden.
1963 wurde das neue Gemeindehaus mit Büro, Tagungsräumen, Festsaal und Kindertagesstätte fertiggestellt.
1971 zog die 6. Grundschule aus der Kirchenschule östlich von St. Johannis in ihren Neubau in der Paulstraße um, so dass die Räumlichkeiten des Schulhauses vom Bezirk für die Gemeinde zurückerworben werden konnten. Nach anfänglicher Nutzung als Wohnraum für den Pfarrer und durch kirchliche Institutionen, wurden sie - ebenso wie das ehemalige Pfarrhaus westlich der Kirche - vermietet.
Seit 2016 ist die ehemalige St. Johannisgemeinde Teil der fusionierten Evangelischen Kirchengemeinde Tiergarten.
2. Architektur
2. 1 Äußere Erscheinung der Kirche
Die St. Johanniskirche ist eine der vier durch Karl Friedrich Schinkel in einem Zuge entworfenen Vorortkirchen. Sie waren bauähnlich, wiesen aber jeweils individuelle Charakteristika auf. Die drei weiteren befinden sich im Wedding (Alte Nazarethkirche am Leopoldplatz, St. Paul-Kirche Bad-/Ecke Pankstraße) und in Mitte (Elisabeth-Kirche in der Invalidenstraße).