Zum Abschied: Predigt von Pfarrer Dr. Sascha Gebauer

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Zum Abschied: Predigt von Pfarrer Dr. Sascha Gebauer

St. Johannis am Sonntag Jubilate, 28. Mai 2024 – Matthäus 17,1-9 

Neun Verabschiedungen von Pfarrerinnen und Pfarrern habe ich in dieser Gemeinde erlebt. Die zehnte ist nun meine.

Es ist gute Tradition geworden - und in Tiergarten ist schnell etwas zur Tradition erklärt - also es ist gute Tradition, dass die Abschiedspredigt für den Dank gebraucht wird.

Danke an die Menschen in dieser Gemeinde und in Moabit und dem Hansaviertel, die mich die letzten acht Jahre hier begleitet haben. Natürlich das Pfarrteam, das sich oft verändert hat. Und jedes Mal wieder eine ganz neue Zusammenarbeit ermöglicht hat. Danke an Jutta und Kaspar, für das letzte gemeinsame Jahr, das für mich mit dem Blick auf den Abschied nochmal ganz besonders war.

Danke an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die einiges an meinen Unzulänglichkeiten und Spontanität auch auszuhalten hatten. Die aber immer da waren, mitgemacht haben und geholfen haben. Nicht nur, weil sie hier angestellt sind, sondern weil ihnen die Gemeinde auch wichtig ist.

Danke an die vielen Menschen, die sich ehrenamtlich hier engagieren. Ihr müsstet das nicht machen, aber ihr gebt Eure Zeit und Arbeit für die Kirchengemeinde. Und ich weiß, manchmal ist das auch mühevoll. Also umso mehr: Danke für das Durchhalten.

Und schließlich danke für die Menschen, die in der Gemeinde mitmachen. Die die Gruppen besuchen, die sich hier verbunden fühlen, die mitfeiern, leben, die mal vorbeischnuppern oder auch die regelmäßig hier zu treffen sind. Danke für die Menschen, die auch immer wieder kritisch auf alles schauen und danke für die, die auch mal „danke“ sagen.

Ihr alle macht diese Gemeinde zu einem Ort, an dem so viele Menschen gerne sind. Und dazu zähle ich auch mich.

„Hier ist gut sein“ – Petrus trifft es sehr genau. So eine Erkenntnis, die kommt nicht sofort. Da müssen alle zusammen erst einen hohen Berg besteigen. Durch dick und dünn gehen. Eine Fusion meistern, mit viel Einfallsreichtum und Kreativität eine Pandemie stemmen. Hunderten von Menschen, die auf der Flucht sind, einen sicheren Ort geben - auch wenn es nur für ein paar Tage ist, dafür aber rund um die Uhr. Den Mut haben, Dinge auszuprobieren, sich nicht von Bedenkenträgern einschüchtern zu lassen, verrückt zu sein.

„Hier ist gut sein“. Mit einmal ist sie da die Erkenntnis. Und dann stehe ich mittendrin und kann mich freuen. An dem Ort, an den Menschen und an der Zeit.

Denn auch die richtige Zeit ist wichtig. Vielleicht kennen Sie das selbst, der Augenblick, wenn alles stimmt – jetzt ist es perfekt. Das kann ich nicht steuern, da braucht es die passenden Voraussetzungen.

 

Für mich ist die Gemeinde Tiergarten ein Ort, an dem ich den richtigen Augenblick erleben kann. Sicher auch, weil es hier diese Momente gibt, an denen ich Gott ganz nahe bin. Dabei helfen Ort, Menschen und Zeit.

Und ja, dann will ich bleiben. Will sesshaft werden. Warum auch nicht. Muss ja nicht gleich ein Haus sein, was gebaut wird. Aber dort wohnen, wo ich Gott so nahe bin – so stellt sich das Petrus zumindest vor.

Näher an Gott komme ich wohl nicht mehr.

Wie immer beim Spüren dieser besonderen Nähe, herrscht gleichzeitig auch Furcht. So nahe dran an Gott, so erfüllt und beseelt und trotzdem Angst. Ich kann mir gut vorstellen, dass bei der Furcht vor der Größe Gottes vor allem die Angst dabei ist, diese Nähe zu Gott auch wieder zu verlieren. Dass es irgendwann einmal zu Ende ist mit der Gottes-Offenbarung.

Es gibt genügend Menschen, die versuchen, sich daran zu klammern, an dieses Gefühl. Und nicht wenige verlieren sich dabei. Begeben sich immer tiefer rein in die Sehnsucht, Gott ganz nahe zu sein – und merken nicht, wie sie sich doch eigentlich entfernen, wie sie sich abkapseln. Leben verzweifelt gefangen in der Zwischenzeit zwischen dem Damals und dem Jetzt. Mehr Unruhe als Ruhe.

Also, einfach abwarten? Alles weitermachen. Irgendwann ist es dann wirklich vorbei. Dann ist das helle Licht weg, dann ist der Glanz vergangen und ist klar, jetzt war es wirklich ZU lange an diesem Ort. Jetzt ist es nicht mehr gut sein.

Nein, man soll gehen, wenn‘s am schönsten ist, sagen die Leute. Fand ich schon immer eine komische Redewendung. Woher weiß ich denn, WANN es am schönsten ist. Könnte ja noch besser werden.

Wie so oft, kommt der Impuls von außen. Jesus spricht: Steht auf! Fürchtet euch nicht! Ein Stups in die Richtung. Und dann ist klar: es muss jetzt weitergehen.

Jesus nimmt Petrus, Jakobus und Johannes wieder mit. Hinab von dem Berg, auf dem doch so „gut sein ist“. Sie gehen zurück in die Welt. Die mal so grausam und gemein sein kann und mal so schön und liebevoll. Brechen auf in das Unbekannte. Ja warum eigentlich?

Der wichtigste Grund ist für mich: Diese Erfahrungen der Gottesnähe auch anderen mitzuteilen. Darüber zu sprechen, damit auch andere Menschen ihren Ort finden, an dem gut sein ist.

„Und Jesus befahl ihnen: Sprecht nicht darüber – bis der Menschensohn von den Toten auferweckt wird.“ Nach Ostern, nach der Auferstehung, werden die Jünger nicht müde, darüber zu reden, was sie gesehen und gehört - was sie erlebt und erfahren haben. Und sie ermutigen, auf die Suche zu gehen, selbst loszugehen, Ausschau zu halten, nach vorne zu blicken, nicht zurück.

Den Möglichkeiten nachzuspüren, die vor mir liegen. Entrückt und verrückt sein.

Und dann werden andere Menschen kommen und sie werden ihre Erfahrungen machen. Und es werden eure Erfahrungen werden. Die vielleicht nochmal ganz andere sind.

Also: Danke! Danke an den Ort, danke an die Menschen, danke an die Zeit. Und danke an Gott, der alles so wunderbar zusammengeführt hat. Hier ist gut sein. 

AMEN.      
       

(Foto M. Knoll)

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