02/07/2024 0 Kommentare
Der 3. Abend der Moabiter Bibelwoche mit Pfarrerin Katrin Rebiger: "Im Zweifel gehalten"
Der 3. Abend der Moabiter Bibelwoche mit Pfarrerin Katrin Rebiger: "Im Zweifel gehalten"
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Der 3. Abend der Moabiter Bibelwoche mit Pfarrerin Katrin Rebiger: "Im Zweifel gehalten"
Am nun schon dritten Abend der Moabiter Bibelwoche brachte Pfarrerin
Katrin Rebiger von unserer evangelischen Schwestergemeinde Heilige Geist
wiederum einen ganz anderen Ansatz für die Begegnung mit dem biblischen
Text mit. Nicht „trocken“ oder „ferne“ sollte er erscheinen, sondern
erlebbar, sinnlich erfahrbar werden. Mögliche Erwartungshaltungen der
Zuhörer wurden schon eingangs umgeleitet. „Ich halte hier keinen
Vortrag, wir werden gemeinsam den Text schmecken, hören, riechen“. Mit
Nähe habe dieser Text viel zu tun und mit Distanz, erklärte Pfarrerin
Rebiger und verteilte Matthäus 14, 22-33 an die rund 40 Teilnehmer zur Partnerarbeit.
Immer zu zweit im Wechsel sollten sich die zufällig
benachbart Sitzenden die Verse gegenseitig vortragen, dabei mal der
eine, mal der andere den gleichen Vers vorlesen und so offen werden für
die Stimme des anderen und dafür, welche Bedeutung bestimmte Zeilen
durch solche Nähe erhalten. Bald war der Gemeindesaal von lebhaftem
Gemurmel erfüllt. Ein bisschen erinnerte es an eine jüdische
Gebetschule. Diese Textzusammenarbeit wurde mit einer Handglocke
schließlich ausgeläutet.
Darauf folgte Zusammenarbeit in einer größeren Gruppe zum lebendigen
Nachspielen der Textstelle: ein Teilnehmer übernahm die Rolle des Jesus
auf kurze Zeit, eine Teilnehmerin fand sich zum ebenfalls zeitweiligen
Petrus bestimmt, die elf übrigen Jünger taten sich auch schnell zusammen
und die verbliebenen Teilnehmer spielten „viel Volk“. Und so wurde die
nächtliche Bootsfahrt der Jünger über den See, das Zurückbleiben Jesu am
Ufer, der schwere Gegenwind, der das Boot erfasst, Jesus, der über das
Wasser geht, um dem Boot nachzueilen, das Erschrecken der Jünger und
alle weiteren Details dieser weltberühmten Episode im Gemeindesaal von
St. Johannis aufgeführt. Alle sahen die Geschichte nun auch mit eigenen
Augen und hörten Petrus rufen: „Herr, bist du es, so befiehl mir, zu dir
zu kommen auf dem Wasser.“ Und Herr Jahn (Jesus) antwortete: „Komm
her!“
Mit dem gemeinsam gesungenen Lied 168 „Du hast uns, Herr,
gerufen, und darum sind wir hier.“ wandten wir uns der dritten
Zusammenarbeit an diesem Abend zu: erneut wurde der Textauszug nun von
jedem für sich allein gelesen und solche Wörter oder Satzteile
unterstrichen, die entweder als besonders schön oder als unschön
erfahren wurden. Anschließend las Katrin Rebiger den Text wiederum
langsam laut vor, und jeder Teilnehmer stand zu seinen als „schön“
empfundenen Worten auf oder zeigte mit Handwedeln auf, wo Worte störten
oder irritierten. Überraschend zeigte sich in diesem Ablauf, wie
universell die scheinbar individuell empfundenen Gefühle in der großen
Runde widerhallten, denn bei ganz bestimmten Schlüsselstellen stand
nahezu der ganze Saal auf. Solche Nähe hatten nicht alle erwartet.
Zuletzt galt es, je zu viert eine gemeinsame Kernaussage auszuloten,
die jede Kleingruppe der großen Runde als Ergebnis präsentierte. Teils
heftig diskutierte, teils einträchtig entwickelte Kernsätze wurden für
alle sichtbar auf einer großen Liste zusammengetragen und von Pfarrerin
Rebiger mit ihrer eigenen Kernaussage abgerundet: „ Mit Jesus kann man
nasse Füße bekommen, aber er reicht mir auch die Hand, um aufs Trockene
zu kommen“.
Zum Ausklang des Abends gab Katrin Rebiger uns dann
noch einige persönliche Fußnoten mit auf die weitere Reise durch diese
Bibelwoche: Wir Menschen sind oft in der Situation der Jünger, wir
sitzen alle in einem Boot. In der biblischen Geschichte ist Petrus sehr
wichtig, denn alle, die sein Tun und Agieren erleben, haben die
Erkenntnis, dass Jesus Gottes Sohn ist. Pfarrerin Rebiger ist es an der
Geschichte auch noch wichtig, dass es eine Wunder-Geschichte ist. Wunder
sind beschriebene Wirklichkeitsgeschichten, in den durch das Wunder ein
zusätzlicher Raum aufgemacht wird. Wunder machen es möglich, dass wir
Ordnungen in Frage stellen. Skepsis wie wir sie bei Petrus oder auch bei
Thomas erleben, gehört für Katrin Rebiger dazu. Der Glaube bewahrt uns
nicht vor der Angst, aber wir haben das Geschenk bekommen, dass wir
glauben dürfen.
Der Abend schloss mit dem Glaubensbekenntnis von Dietrich Bonhoeffer stimmig ab.
Text und Fotos: s. wendt
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