02/07/2024 0 Kommentare
„Selig sind, die da geistlich arm sind....“ Mt. 5, 3-12
„Selig sind, die da geistlich arm sind....“ Mt. 5, 3-12
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„Selig sind, die da geistlich arm sind....“ Mt. 5, 3-12
Den gestrigen zweiten Abend der Moabiter Bibelwoche gestaltete Pfarrer
Dr. Ernst Pulsfort von der katholischen St. Laurentius Gemeinde.
Er bezog die erste Seligpreisung der Bergpredigt (Mt. 5, 3-12) „Selig sind,
die geistlich arm sind;“ ganz konkret darauf, die sozialrevolutionäre
Dimension der Bergpredigt auf uns heutige Christen maßzunehmen. Die
geistlich Armen, von denen Jesus sprach, definiert Dr. Pulsfort als die
vielen Menschen, die weder an Bildung noch Besitz der damaligen
Gesellschaft teilhatten. Menschen, denen nichts gehörte und die aufgrund
vielfacher Ausgrenzung keine Hoffnung hatten, ihr Los zu bessern.
An genau dieser Stelle haben moderne gesellschaftliche Bewegungen, z. B.
der 70er und 80er Jahre, eingehakt. Die Situation und die Rechte der
Armen sollten gestärkt werden, allerdings redeten zumeist Reiche und
Unversehrte über die Lage von Armen und Versehrten. Hunger, den man
selbst spürt, sei sehr konkret, hungere aber ein anderer, werde schnell
ein geistliches Problem daraus. Wenn wir von hier aus über Armut reden,
ist das in aller Regel nicht authentisch, so Dr. Pulsfort.
Reiche würden bereits auf Erden reich bedient. Besitz kann leicht
dazu verführen, Unterschiede zu bewerten nach Ansehen oder Wertschätzung
von Personen. Oft blieben Reiche oder Gebildete deshalb in ihren
Kreisen und im „wie du mir, so ich dir“ stecken. Wie könne der Anspruch
Jesu, ihm nachzufolgen und die herrschenden Verhältnisse zur
Gerechtigkeit zu wenden, durchgehalten werden von Menschen wie uns mit
festem Wohnsitz, Beruf und Familie? Die Botschaft Jesu bleibe in uns
lebendig, sagt uns Dr. Pulsfort, wo wir empfänglich bleiben für die
Grenzen unserer eigenen Geschöpflichkeit. Heutige Selfmade-Männer und
-Frauen müssten ihr selbstgeschaffenes Dogma vom ewig Jungsein, ewig
Schön- und Gut-drauf-Sein durchbrechen und bereit werden, ihr Herz zu
verschenken. In der Erkenntnis der tragisch-engen Grenzen unserer
Geschöpflichkeit spüre jeder einzelne schaudernd die eigene Ur-Armut.
Dann könne Gott unser wirklicher Reichtum werden, und wir könnten
geschwisterlichen Umgang miteinander und mit der Natur lernen. Dann
könnten wir alle auch teilen lernen: unser Land hier teilen mit denen,
die Verfolgung leiden, Wasser teilen mit denen, die Durst leiden,
Bildung teilen mit denen, die Rechtlosigkeit leiden.
.....ist fortzusetzen......
Dr. Pulsfort setzte den Schlusspunkt seines Vortrages mit folgender rabbinischer Pointe:
Ein Rabbi, der eines Tages die Erleuchtung hatte, die Armen lieben zu wollen, umarmte den
nächststehenden Bedürftigen mit den Worten: „Ich liebe dich – Was fehlt dir?“ Der Bedürftige aber wehrte dem Rabbi und erwiderte nur: „Du sagst, du liebst mich und weisst doch nicht, was mir fehlt?“
Mit lebhaftem Beifall und engagiert-kontroverser Diskussion wurde Dr. Pulsfort von den rund 50 Teilnehmern gedankt.
Den dritten Abend heute wird Pfarrerin Katrin Rebiger von der Gemeinde Heilig Geist mit dem Themenschwerpunkt „Im Zweifel gehalten“ (Mt 14, 22–33) für uns
gestalten. Herzliche Einladung!
Text + Fotos: s.wendt
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